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Zwischen schwimmenden Märkten und Reisnudelkünstlern Can   Tho   ist   unsere   letzte   Station   auf   dem   Festland   Vietnams.   Die   Stadt   am   Mekong   Delta   ist   berühmt für   ihre   schwimmenden   Märkte   -   die   wollen   wir   uns   nicht   entgehen   lassen.   In   Can   Tho   buchen   wir   eine Form der Unterkunft, die wir bisher noch nicht kennengelernt haben. Wir   buchen   einen   Homestay,   das   heisst,   wir   wohnen   bei   und   mit   einer   Familie.   Unsere   Familie   heisst Kate    und    ist    eigentlich    keine    Familie,    sondern    eine    alleinstehende    junge    Frau,    die    nahezu ununterbrochen am Lächeln ist. Wenn   sie   nicht   lächelt,   erzählt   sie   uns   von   den   geeignetsten   Restaurants   für   uns   als   Vegetarier,   von   den besten   Fussmassagen   der   Stadt   und   natürlich   von   der   besten   Reisebegleitung   für   unseren   Ausflug   zu den „Floating Markets“. Wir   sind   bereits   nach   10   Minuten   sicher,   eine   richtig   gute   Entscheidung   getroffen   zu   haben,   hier   bei   ihr zu   wohnen.   Ich   frage   Kate,   ob   sie   wirklich   Kate   heisst.   Sie   erklärt   uns,   dass   ihr   Name   zu   kompliziert auszusprechen ist für uns Europäer. Und Kate ist ihrem vietnamesischen Namen am ähnlichsten. Gleich   am   nächsten   Tag   soll   es   losgehen   zu   den   schwimmenden   Märkten.   Um   4:30   klingelt   unser Wecker.   Aber   eigentlich   ist   es   nicht   der   Wecker,   sondern   der   Hahn,   der   irgendwo   in   der   Nachbarschaft unseres Homestays der Meinung ist, die Sonne käme nur, wenn er laut genug ruft. Um   5:30   Uhr   treffen   wir   dann   unten   am   Eingang   unsere   weibliche   Begleitung,   die   uns   durch   den   Tag führt.   Ihr   Name   ist   Ruby   -   jedenfalls   sagt   sie   das.   Aber   vielleicht   ist   es   auch   Rinh.   Oder   Rang.   Oder Rong. Wer weiss das schon.
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Vietnam
Can Tho, Floating Market von Cai Rang
Ruby   bringt   uns   zu   einem   Seitenarm   des   Mekong   Delta   Flusses,   von   wo   aus   wir   unsere   Bootstour starten. Der    gesamte    Uferbereich    steht    unter    Wasser,    so    dass    wir    durch    knöcheltiefes    schmutzig-braunes Wasser   waten   müssen,   bevor   wir   unser   kleines   Holzboot   erreichen.   Dies   scheint   normal   zu   sein,   da   sich der Flusspegel abhängig vom Meeresspiegel verhält. Jetzt jedenfalls herrscht Hochwasser. Während   der   Bootsfahrt   erklärt   uns   Ruby   allerlei   Wissenswertes   über   die   Märkte,   über   Can   Tho   und über   die   Geschichte   Vietnams.   Sie   erzählt   uns   auch,   dass   früher   –   besonders   in   Zeiten   grosser Armut   Hunde,    Katzen    und    sogar    Ratten    gegessen    wurden,    schlicht    weil    jede    verfügbare    Proteinquelle überlebenswichtig war. In   manchen   ländlichen   Regionen   kommt   das   auch   heute   noch   vor,   erklärt   sie   ruhig,   ohne   ein   Geheimnis daraus   zu   machen   und   ebenso   ohne   Stolz.   „Es   ist   Teil   unserer   Geschichte“,   sagt   sie,   „aber   nicht   mehr Teil des modernen Stadtlebens“.
Nach   20   Minuten   blitzen   die   ersten   Boote   der   schwimmenden   Händler   auf.   Zwischendurch   tuckern winzige   Frühstücksboote   durch   die   Gassen.   „Ready   for   vietnames   breakfast?“,   fragt   Ruby   und   meint damit   nicht   nur   den   sehr   starken   Kaffee   mit   sehr   süsser   Kondensmilch,   den   wir   in   durchsichtigen Plastikbechern gereicht bekommen. Aus    den    schwimmenden    Garküchen    steigt    der    Duft    von    Nudelsuppe    und    Fischsosse    auf    und    wir bekommen   eine   Schüssel   „vegetarische   Pho“   direkt   ins   Boot   gereicht   -   dampfend,   mit   frischen   Kräutern und Limettenspalten. Wir   sitzen   da,   schaukeln   leicht   und   löffeln   die   leckere   Suppe.   Das   hier   ist   nicht   nur   einfach   ein   Markt.   Es ist ein schwimmendes Ballett aus Leben, Stimmen und Farben.
Wir   schippern   hinein   in   den   Cai   Rang   Floating   Market.   Hier   ist   das   Chaos   perfekt   –   aber   es   ist   das schönste Chaos, das man sich vorstellen kann. Überall Boote. Überall Essbares. Auf   einem   sind   Wassermelonen   gestapelt   wie   bunte   Kugeln.   Auf   dem   nächsten   baumeln   Karotten   und Ananas als Werbeschilder an Bambusstangen. Auf dem nächsten Knoblauchknollen und Süsskartoffeln. Händler   rufen   sich   Preise   zu,   lachen,   plaudern,   schneiden   Früchte.   Wir   dürfen   sogar   ein   schwimmendes Händlerboot    von    innen    besichtigen.    Es    ist    sehr    befremdlich,    sich    vorzustellen,    dass    dort    wirklich Menschen bei einer Raumhöhe von knapp über einem Meter leben können.
Nach   zwei   Stunden   tuckern   wir   weiter   –   das   Motorengeräusch   wird   sanfter,   die   Luft   klarer.   Unser nächster    Stopp    ist    ein    Familienunternehmen    am    Ufer    des    Flusses,    wo    eine    Familie    seit    drei Generationen Reisnudeln herstellt.
Die   kleine   Werkstatt   liegt   ein   Stück   vom   Fluss   entfernt,   halb   im   Schatten   hoher   Palmen.   Es   liegt   ein   Duft von   warmem   Reis   in   der   Luft   –   ein   bisschen   wie   frische   Pfannkuchen.   Innen   herrscht   ein   wuseliger Familienrhythmus,    der    so    eingespielt    wirkt,    als    würde    jede    Bewegung    seit    Jahrzehnten    immer denselben unsichtbaren Takt schlagen. Auf   einem   niedrigen   Tisch   steht   ein   riesiger   Bottich   mit   einer   milchig-weissen   Flüssigkeit.   „Reismehl   und Wasser   –   sonst   nichts“,   erklärt   die   Mutter   des   Hauses,   während   sie   mit   einem   Holzlöffel   rührt,   als   hätte sie den Teig persönlich grossgezogen. Behutsam   kippt   sie   mit   einer   Schöpfkelle   den   Reismehlteig   auf   eine   runde,   mit   Stoff   bespannte   Platte. Unter der Bespannung brodelt ein kleiner Holzofen, der Dampf durch das Stofftuch jagt. Sie   verteilt   die   Masse   zu   einem   hauchdünnen   Kreis   –   so   gleichmässig,   dass   man   ihr   am   liebsten   eine goldene Schöpfkelle verleihen möchte.
Nach   nur   wenigen   Sekunden   zieht   sie   den   nun   festen,   elastischen   Reisfladen   mit   einer   Bambusstange ab.   Es   wirkt   wie   Zauberei.   Nun   legt   sie   die   noch   warmen   Fladen   auf   meterlange   Bambusrosten   aus.   Die Sonne erledigt den Rest. Sobald   die   Fladen   trocken   sind,   stapelt   -   nun   der   Vater   des   Hauses   –   sie   wie   Papierbögen   und   schiebt sie   durch   eine   Maschine,   die   klingt   wie   ein   sehr   hungriger,   sehr   schnell   futternder   Hamster.   Beim Herauskommen sind sie in perfekte, gleichmässige Streifen geschnitten: Reisnudeln. Ein   paar   fallen   mir   entgegen   und   der   sehnige   Grossvater   lächelt   ein   Lächeln,   das   gefühlt   seit   der französischen   Kolonialzeit   nicht   mehr   neu   erfunden   wurde.   „Geschenk“,   sagt   er,   als   ich   sie   hochhebe. Sie fühlen sich weich an und leicht - fast wie Seide. Als   ich   selbst   versuche,   einen   Fladen   von   der   Dampfplatte   zu   lösen,   endet   es   damit,   dass   ich   ihn   falte wie   ein   nasses   Taschentuch.   Die   Mutter   des   Hauses   klopft   mir   auf   die   Schulter   „Good   try“,   sagt   sie. Wahrscheinlich meint sie das sogar ernst.
Can Tho, Floating Market von Cai Rang
Can Tho, Floating Market von Cai Rang
Can Tho, Market von Cai Rang
Can Tho, Market von Cai Rang
Can Tho, Market von Cai Rang
Can Tho, Market von Cai Rang