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Die Magie des Fortgehens - Amerika, wir kommen! Vor   knapp   neun   Monaten   -   im   Spätsommer   2024   -   trafen   wir   eine   richtungsweisende   Entscheidung.   Wir   wollten   unser Leben   verändern.   Mal   wieder.   Wie   schon   so   oft.   Es   war   nicht   nur   einfach   eine   Idee.   Es   war   mehr   ein   Gefühl.   Ein Empfangen.   Ein   Wahrnehmen.   Etwas   Neues   wollte   sich   seinen   Weg   bahnen.   Wir   entschieden,   diesen   Weg   freizumachen, ohne   zu   wissen,   wohin   er   führt.   Geholfen   hat   uns   dabei   Ingos   Frühpensionierung.   In   besagtem   Spätsommer   2024   also gab es jene Entscheidung, die Schweiz nach 17 Jahren zu verlassen. So   wurde   unser   spärlicher   Hausstand   noch   spärlicher,   die   wenige   Kleidung   noch   weniger,   der   leere   Keller   noch   leerer.   Mit jedem Teil,   das   wir   weggaben,   wuchs   unsere   innere   Fülle   und   Freiheit. Als   wir   unsere   Wohnung   kündigten,   feierten   wir. Als ich   meine   therapeutische Tätigkeit   beendete,   weinte   und   lachte   ich   zugleich. Als   wir   unsere   Niederlassungsbewilligung   der Schweiz   zurückgaben,   bedankten   wir   uns.   Wir   liessen   17   Jahre   Sicherheiten   und   Gewissheiten   zurück,   anstrengende   und schöne   Jahre,   bereichernde   und   lehrreiche   Erfahrungen.   Die   Samen,   die   wir   im   Spätsommer   2024   säten,   begannen   zu treiben.
Januar    und    Februar    waren    prall    gefüllte    und    intensive    Monate.    Administration,    Behördengänge,    Fahrzeugexport, Fahrzeugimport,    Umzugsgut    transportieren.    Dies    alles    mitten    im    deutschen    Winter    kurz    nach    Jahreswechsel.    Zum Durchatmen   fuhren   wir   nach   Sankt   Peter   Ording,   einer   meiner   Lieblingsorte   an   der   Nordsee.   Es   tat   so   gut,   die   frische   Luft im   Gesicht   zu   spüren,   die   Gedanken   zu   sortieren,   sich   der   Energie   des   wilden   Nordsee-Wassers   hinzugeben.   Ich   hatte grosses   Vertrauen,   dass   wir   auf   dem   richtigen   Weg   sind.   Trotz   der   eisigen   Winterluft   breitete   sich   eine   wohlige   Wärme   in meinem   Inneren   aus.   Einatmen.   Vertrauen. Ausatmen.   Nachdem   die   Behördengänge   erledigt   waren   und   die   To-Do-Listen kürzer    wurden,    fuhren    wir    für    7    Wochen    nach    Kroatien.    Diamantfarbenes    Wasser,    leere    Campingplätze    und    milde Temperaturen halfen uns dabei, uns an das Nomadenleben zu gewöhnen.  Dort, wo wir uns frei fühlen, können wir wirklich erblühen. Ich bin gerade dabei. Wir sind dabei. Und   dann   ist   es   soweit. Am   2.   Mai   fliegt   uns   die   Discovery Airlines   nach   Minneapolis.   Ein   feiner,   ruhiger Tagesflug,   der   uns geradewegs   in   die   bohrenden   Fragen   eines   amerikanischen   Grenzpolizisten   befördert.   Wir   tragen   den   wertvollen   Inhalt eines   6-monatigen   Visums   in   unseren   Reisepässen.   Um   dieses   vom   Grenzpolizisten   bestätigt   zu   bekommen,   müssen   wir Fragen   nach   unserem Abflugsort   und   Zielort   beantworten,   nach   unseren   6-monatigen   Reiseplänen   und   nach   der Adresse unserer   Freunde   in   Montana.   Ein   ernstes   und   ernstzunehmendes   Interview.   Lustig   wurde   es   erst,   als   er   sich   nach unserem Gepäck erkundigte. Frage: Wie viele Gepäckstücke bringt Ihr mit? Antwort: Nur unsere beiden kleinen Rucksäcke. Frage: Für 6 Monate im Land? Antwort: Ja. Frage: Was macht ihr 6 Monate in den USA? Antwort: Eine Rundreise durch alle Nationalparks. Frage: Mit zwei kleinen Rucksäcken? Antwort: Ja. Wir müssen noch einkaufen gehen. Die    Stimmung    ist    wohlwollend    und    wir    spüren,    dass    der    Grenzpolizist    unsere    Einreise    gutheissen    wird.    Das    finale Schlüsselwort   heisst   schliesslich:   „Retirement   –   Rente“.   Ein   zustimmendes   amerikanisches   Kopfnicken   und   der   ersehnte Einreisestempel landet in unseren Pässen – die Legitimierung, um die nächsten 6 Monate im Land verbringen zu dürfen.
Minneapolis   gefällt   uns   gut.   Durch   die   Stadt   im   Bundesstaat   Minnesota   fliesst   der   Mississippi.   Neben   dem   breiten   Fluss hat   sie   zusätzlich   zahlreiche   Seen   und   Parkanlagen   zu   bieten.   Minneapolis   wurde   zur   fittesten   und   gesündesten   US- amerikanischen    Stadt    gekürt    und    ist    eine    der    fahrradfreundlichsten    und    läuferfreundlichsten    Städte    weltweit.    Kein schlechter     Start,     um     unseren     Jetlag     zu     pflegen.     Wir     spazieren     am     Mississippi     entlang,     flanieren     durch     die Haupteinkaufsstrasse   der   Nicolett   Mall,   besichtigen   die   Basilica   of   St.   Mary   und   den   Sculpure   Garden.   Da   wir   zum Wochenende   in   der   Stadt   sind,   haben   leider   die   meisten   Skyways   geschlossen,   für   die   Minneapolis   städtebaulich   berühmt ist.   Auf   einer   Länge   von   15   Kilometern   verbinden   mit   Glas   umschlossene   Fussgängerbrücken   die   Obergeschosse   von Parkhäusern,   Banken,   Geschäften,   Behören   und   Hotels.   80   Stadtblöcke   sind   auf   diesem   Luftwege   zugänglich,   ohne   je einen Fuss auf die Strasse setzen zu müssen. Wir    halten    bis    20    Uhr    am    Abend    durch,    bevor    wir    erschöpft    ins    Bett    fallen.    Unsere    innere    Uhr    funktioniert verständlicherweise   noch   nach   europäischer   Zeit   und   somit   sind   wir   um   3   Uhr   morgens   hellwach.   Um   3:30   Uhr   schleiche ich   auf   Zehenspitzen   durch   die   Hotelgänge,   um   an   der   Rezeption   Kaffee   zu   holen.   Eines   der   richtig   guten   Dinge   in   den USA   ist   die   Kultur,   in   vielen   grösseren   Hotels   zu   jeder   Tages-   und   Nachtzeit   gratis   Kaffee   und   heisses   Teewasser   zu bekommen.   Somit   freue   ich   mich   über   einen   Smalltalk   mit   der   Nachtschicht   an   der   Rezeption   und   über   den   richtig   fein schmeckenden Kaffee. Was für ein schöner Start! Zwei   Tage   später   folgt   dann   der   nächste   Inlandsflug,   der   uns   an   unser   eigentliches   Ziel   in   Montana   bringen   soll   –   nach Missoula.   Unser   Freund   Jan   holt   uns   vom   Flughafen   ab   und   nach   einer   Stunde   Fahrzeit   sind   wir   auf   seiner   Farm   in Hamilton   angekommen.   Der   Hund   von   Jan   und   Michelle   hört   auf   den   Namen   „Arlo“.   Eigentlich   ist   er   Fremden   gegenüber eher   gleichgültig,   doch   als   wir   in   das   Haus   eintreten,   fühlen   wir   uns   durch   sein   Freudentänzchen   sehr   willkommen.   Und   so richtig   fremd   sind   wir   ja   für   ihn   nicht   mehr.   Immerhin   hat   er   uns   die   letzten   beiden   Jahre   bereits   getroffen   und   wir   haben stets   jede   Menge   Andenken   von   ihm   zurück   nach   Europa   mitgenommen:   Weisse   Hundehaare   in   allen   Kleidungsstücken! Mich   erinnert Arlo   an   einen   Eisbären.   Seine   würdevolle,   stattliche   Erscheinung   strahlt   Selbstbewusstsein   aus.   Das   ist   wohl die Charaktereigenschaft der urig-stolzen Akita-Rasse. Seit   einigen   Wochen   steht   auf   der   Farm   von   Jan   und   Michelle   unser   (für   amerikanische   Verhältnisse)   kleiner   Wohnwagen, den   Ingo   über   Facebook   Marketplace   gefunden   hat.   Welch   ein   Glücksgriff   das   doch   war!   Und   seit   letzter   Woche   ist   dieser in   Gesellschaft   eines   11   Jahre   alten   4x4   Ford   F150,   der   genau   zur   rechten   Zeit   am   rechten   Ort   zum   Verkauf   angeboten wurde.   Der   3.5   Liter   Motor   des   Pickups   hat   eine   Laufleistung   von   225‘000   Kilometer   und   steht   ½   Fahrstunde   von   der   Farm entfernt.   Jan   konnte   den   Kauf   bereits   im   Vorfeld   per   Handschlag   und   Vorvertrag   bestätigen.   Einen   Tag   nach   unserer Ankunft   in   Montana   fahren   die   beiden   Männer   nach   Lolo,   um   dort   unser   Zugfahrzeug   abzuholen.   Der   schöne,   silberne Pickup   besitzt   eine   beeindruckende   Anhängelast   und   robuste   Bequemlichkeit.   Ich   bin   erstaunt,   wie   leicht   er   sich   steuern lässt.   Er   reagiert   um   ein   Vielfaches   sanfter   als   unser   Sprinter   in   Europa,   der   in   einer   Lagerhalle   in   der   Nähe   der ostfriesischen Grenze auf unsere Rückkehr wartet. Mit    unserer    Ankunft    in    Montana    beginnt    die    nächste    intensive    Phase    seit    Jahreswechsel.    Der    Wohnwagen    muss reisetauglich   gemacht   werden.   Er   stand   den   Winter   über   auf   der   Farm   und   musste   starkem   Schneefall   und   tiefen Temperaturen    trotzen.    Aber    er    ist    in    gutem    Zustand,    und    mit    Baujahr    2019    auch    jung    genug.    Die    beige-braune Polstergarnitur    und    dunklen    Möbel    allerdings    sind    gewöhnungsbedürftig.    Zuallererst    verpasse    ich    dem    rollenden Häuschen   einen   intensiven   Frühjahrsputz.   Zwei   Tage   wienere   ich   in   allen   Ecken   und   Winkeln.   Und   siehe   da,   die   braunen Schränke   und   Regale   wirken   nur   noch   halb   so   dunkel.   Ingo   kümmert   sich   währenddessen   um   diverse   Reparaturen   und um   die   Inbetriebnahme.   Er   nimmt   die   Wasser-   und   Stromversorgung   in   Augenschein,   wechselt   kaputte   Glühbirnen   und Sicherungen aus, baut Regalböden für die Schränke und übt das An- und Abkuppeln des Wohnwagens.
Gemeinsam   verbringen   wir   einen   langen   Tag   mit   langen   Einkaufslisten   in   langen   Gängen   der   vielen   Verkaufsmärkte   von Missoula.   Enorme   Regale   präsentieren   XXL-Verpackungseinheiten,   die   einen   nur   vom   Anschauen   überfordern.   Was   für eine   Auswirkung   die   Intensität   der   Superlative   tatsächlich   auf   uns   hat,   wird   uns   erst   am   Abend   bewusst,   als   wir   nach   12 Stunden   wie   erschlagen   auf   die   Farm   zurückkehren.   Doch   der   Tag   hat   sich   gelohnt.   Küchenutensilien,   Badtextilien, Kopfkissen,   Überdecken,   Mückenschutz,   Wanderschuhe   und   farbige   Zeichenstifte   für   kreative   Stunden.   Der   Wohnwagen wandelt sich zum Wohlfühlraum. Und   nun   sind   wir   startbereit,   um   uns   auf   die   erste   Runde   durch   Montana   und   Idaho   zu   begeben.   Glacier-   und   Yellowstone Nationalpark,   Craters   of   the   Moon,   City   of   Rocks   -   das   sind   die   Stationen   für   die   ersten   vier   Wochen.   Und   hierfür   haben   wir nicht   nur   ein   geografisches   Ziel,   sondern   auch   ein   geistig-spirituelles:   Der   Botschaft   wieder   lauschen   lernen,   die   das Leben uns senden möchte. Empfänglich und durchlässig werden. Es erfordert Kraft und Schwäche zugleich.
Weitere Fotos von diesem Reiseabschnitt
Wanderung am Lake Como
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Minnesota
Montana