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Wetter   Ein wenig Sonne, sonst bewölkt und Regen Temperaturen: Tag: 16 Grad Nacht:   3 Grad
Mittsommer Die   Sonne   versinkt   um   23:10   Uhr   am   Abendhimmel,   doch   sie   steht   nur   knapp   unter   dem   Horizont   -   es   ist   der   Zeitpunkt   der Sommersonnenwende.   Während   die   Tage   am   Äquator   beinahe   ganzjährig   gleichlang   sind,   sind   die   Tage   in   Skandinavien   rund um   die   Sonnenwende   so   lang   wie   zu   keinem   anderen   Zeitpunkt.   Das   Tageslicht   will   sich   einfach   nicht   verabschieden.   Nur ganz   langsam   entsteht   eine   silbrig-graue   Dunkelheit,   die   eher   an   Dämmerung   erinnert.   Gegen   Mitternacht   ist   klar,   warum   man zu   dieser   Jahreszeit   von   den   weissen   Nächten   spricht.   Es   ist,   als   würde   jemand   Milch   in   den   Nachthimmel   giessen.   Jetzt erscheint sogar das Meer dunkler als der Himmel.  
Bereits   um   2   Uhr   beginnen   die   Vögel   zu   zwitschern.   Es   ist   nur   noch   ein   leichter,   oberflächlicher   Schlaf,   den   wir   schlafen.   Ein dunkles   Tuch   über   den   Augen   hilft,   den   Körper   zu   überreden,   wenigstens   eine   kleine   Portion   des   wertvollen   Schlafhormons Melatonin   auszuschütten.   Doch   das   permanente   Licht   bringt   jeden   Schlafrhythmus   durcheinander.   Wenn   der   neue   Tag   um 2:24   Uhr   beginnt   und   die   Sonne   am   Horizont   erscheint,   fühlen   wir   uns,   als   seien   wir   noch   immer   im   Gestern   verankert.   In   800 km erreichen wir den nördlichen Polarkreis – dort wird die Sonne überhaupt nicht mehr untergehen.  Am   25.   Juni   ist   dann   der   Höhepunkt   des   Sommers.   Im   ganzen   Land   wird   das   Mittsommerfest   gefeiert.   Es   ist   ein   langes Wochenende   und   sämtliche   Übernachtungsplätze   sind   im   Voraus   ausgebucht.   Wie   an   allen   wichtigen   Feiertagen   dreht   sich auch   an   Mittsommer   ein   Grossteil   um   Essen   und   Trinken.   Und   so   schmeckt   der   schwedische   Sommer:   Man   isst   jetzt   die ersten   Jungkartoffeln   zusammen   mit   Hering,   Sauerrahm,   Knäckebrot   und   Käse,   zum   Nachtisch   dann   frische   schwedische Erdbeeren mit Sahne. Während des Mittsommermenüs gibt es reichlich Schnaps (genannt nubbe) und Bier. Trinklieder    wie    das    unten    stehende    handeln    davon,    den    Schnaps    entweder    auf    ex    auszutrinken    oder    gar    keinen    zu bekommen.   Wir   entscheiden   uns   für   letztere   Variante   und   verlassen   den   Campingplatz   am   Morgen   vor   der   grossen   Party.   Zu verlockend scheint uns eine ruhige Nacht in der Natur des Björnlandets Nationalparks. Helan går sjung hoppfaderallanlallanlej, helan går sjung hoppfaderallanlej. Och den som inte helan tar han heller inte halvan får. Helan går sjung hoppfaderallanlej!
Der See vor unserem Camper nachts um 2:30 Uhr  
Der See vor unserem Camper nachts um 2:30 Uhr  
Auf   dem   Weg   zum   Björnlandets   Nationalpark   fahren   wir   über   lange   Schotterpisten.   Mann,   Weib   und   Fahrzeug   werden durchgeschüttelt   und   die   Musik   im   Radio   verschwindet   in   der   Geräuschkulisse   des   losen   Untergrundes.   Erst   als   wir   wieder den   asphaltierten   Streckenabschnitt   erreichen,   hören   wir   die   bockig-trotzigen   Beschwerden   unseres   Campers.   Es   schleift, quietscht   und   rattert   beim   Bremsen   und   überflüssigerweise   scheint   auch   die   Hinterachse   beim Anfahren   seltsame   Geräusche von   sich   zu   geben.   Wir   verbringen   30   Minuten   lauschend   und   beobachtend   neben   beiden   Hinterreifen   und   unter   dem Auto.   Ein Glück,   dass   unser   Camper   als Allradfahrzeug   so   hoch   ist   -   ich   kann   fast   darunter   knien.   „Nochmal   vor!   Zurück!   Jetzt   bremsen! Weiter!   Stopp!“   Wir   blicken   gegenseitig   in   ahnungslose   Gesichter.   Achselzuckend   sitzen   wir   auf   dem   warmen   Teerboden   und beratschlagen   was   zu   tun   ist.   Und   plötzlich   ist   das   Geräusch,   das   anfänglich   launig   und   lautstark   daherkam,   still   und   heimlich verschwunden - beim Suchen verloren gegangen sozusagen.
Inzwischen   haben   wir   mehr   als   20   km   auf   dieser   „grünen“   Route   zurückgelegt.   Noch   läuft   alles   und   wir   sind   hoffnungssicher, überzeugt   und   wunderbar   im   Flow.   Dass   die   Strecke   eher   unbenutzt   aussieht,   beunruhigt   uns   nicht   weiter.   Doch   dann,   ca.   900 Meter vor der nächsten grösseren Strasse kommt diese Holzbrücke.
Ein   Schild   für   die   zulässige   Traglast   fehlt,   dafür   sind   umso   mehr   lose   Bretter   sichtbar.   Mit   feinstem   analytischem   Besteck inspiziere   ich   die   Brückenoberfläche   und   Ingo   das   Fundament.   Beides   wird   von   uns   als   ausreichend   bewertet.   Ich   habe grosses Vertrauen in Ingo, die Arbeit eines Brückenbauningenieurs zu beurteilen - von Ingenieur zu Ingenieur sozusagen.
Es   scheint   mir   nun   an   der   Zeit,   meinen   Fahrersitz   für   die   wirklich   Mutigen   in   dieser   Welt   zu   räumen.   Frei   von   Verantwortung   zu sein,   ist   in   diesem   Moment   eine   grosse   Versuchung,   der   ich   bereitwillig   folge.   Aus   sicherer   Distanz   übernehme   ich   das Fotoshooting   der   Brückenüberquerung.   Obwohl   es   rumpelt   und   poltert,   hält   das   hölzerne   Konstrukt   bereitwillig   die   Last   des hüftsteifen Spinters. Und dann, wenige Meter vor dem Ende dieser „kraftstoffsparenden Route“ (Zitat Bedienungsanleitung)….
…..versperrt   uns   dieser   Schlagbaum   den   Weg,   welcher,   selbstredend,   mit   einem   dicken   Eisenschloss   gesichert   ist.   Was   die Schranke so bemerkenswert macht, ist ihre längst vergessene Minderheit auf Schwedens Waldwegen.
Und   nun   kommt   das   Wunder   des   Tages   in   Form   von   weiblicher   Intuition.   Es   ist   kein   Nachdenken   oder   logisches   Überlegen, welcher   Zahlencode   der   vermeintlich   richtige   ist.   Vielmehr   ist   es   eine   flüsternde   Eingebung.   Und   als   das   Schloss   unter   der Zahlenkombination   „2021“   tatsächlich   aus   seiner   Verankerung   springt,   ist   es,   ich   wiederhole   mich,   so   wunderbar   rätselhaft,   wie das Leben eben nur sein kann. 
Fotostory: Auf abenteuerlichen Wegen Und    während    wir    noch    tief    und    erleichtert    durchschnaufen,    beginnt    bereits    das    nächste    Kapitel    der    abenteuerlichen Weiterfahrt.   Zuvor   sei   erwähnt,   dass   wir   seit   kurzem   ein   neues   Navi   haben.   Eine   Freundschaft   zwischen   uns   ist   zwar   nicht ausgeschlossen,   aber   zum   momentanen   Zeitpunkt   noch   ästhetische   Theorie,   diplomatisch   ausgedrückt.   Meist   schickt   „es“   uns in   ein   allgemeines   Gewurschtel   von   stundenlangen   Umwegen,   nur,   um   eine   einzige   kurze   Schotterstrasse   zu   vermeiden.   Doch Schotterstrassen   in   Nordschweden   sind   Tatsachen.   Und   somit   ist   es   sinnlos,   für   oder   gegen   Tatsachen   zu   sein.   Um   des   Navis Logik    zu    umgehen,    ändert    Ingo    die    Einstellung    auf    „grüne    Route“,    eine    gemäss    Bedienungsanleitung    „schnelle    aber kraftstoffsparende   Route“.   Doch   es   kommt   anders.   Nach   anfänglich   makellosen   schwedischen   Schunkel-Schotter-Pisten   durch die Einsamkeit werden die Wege kleiner und enger. Der grünen Route kommt etwas dazwischen - die Willkür des Lebens.