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Wo ist Old Tjikko? In   der   Weite   Schwedens   wird   eine   Distanz   von   100   km   durchaus   als   «nah»   bezeichnet.   Wir   besuchen   drei   Nationalparks   an der    norwegischen    Grenze,    die    in    diese   Terminologie    einzuordnen    sind    und    beieinander    liegen:    Fulufjället    Nationalpark, Töfsingdalen Nationalpark und Sonfjällets Nationalpark.  Im   Fulufjället   Nationalpark,   der   mit   dem   östlichen   Teil   in   Schweden   und   dem   westlichen   Teil   in   Norwegen   liegt,   hat   das   Wasser im   Laufe   von   Jahrtausenden   eine   grosse   Schlucht   gemeisselt.   Hier   stürzt   der   93   Meter   hohe   Njupeskär   Wasserfall   mit   einer freien    Fallhöhe    von    70    Metern    die    steilen    Felswände    hinab.    Ganz    oben    über    den    Wassermassen    bietet    sich    eine beeindruckende Aussicht auf den umgebenden Berg, der sich wie ein Hochplateau über die Landschaft erhebt.
Wir   folgen   einer   Wanderung   und   empfinden   grosse   Freude   daran,   endlich   wieder   mehr   zu   sehen   als   «nur»   kilometerlange Wälder   und   spiegelglatte   Seen.   Über   riesige   Steine   erklimmen   wir   einen   beschwerlichen   Weg   in   einer   rauen   und   unwegsamen Steppenlandschaft.   Dicke   Flechten   bedecken   das   Gestein   wie   ein   grünes   Sofapolster.   Das   kriechende,   witterungsgeplagte Gestrüpp   ist   ganzjährig   dem   beissenden   Wind   ausgesetzt. Auch   uns   fegt   eisige   Luft   um   die   Nase   und   wir   stellen   uns   vor,   wie beschwerlich hier der Winter sein muss. Doch es gibt zwei Vorteile: 1. Hier ist absolut keine Mücken mehr zu sehen. Nicht eine einzige! 2. Je karger die Landschaft wird, desto zugänglicher und interessierter werden die Menschen.
Schutzhütte auf dem Hochplateau
In der Schutzhütte ist Ruhe vor dem kalten Wind - dies ermöglicht einen kleinen Nap.
Fast   jeder,   dem   wir   begegnen,   stoppt   für   ein   bisschen   Small-Talk.   Mehrfach   werden   wir   gefragt,   ob   wir   einen   Baum   namens «Old   Tjikko»   gesehen   haben,   was   wir   jedes   Mal   schulterzuckend   verneinen.   Old   Tjikko   ist   eine   9550   Jahre   alte   Fichte.   Er   wird als   ältester   lebender   Klonbaum   bezeichnet,   der   mit   mehreren   Bäumen   durch   ein   gemeinsames   Wurzelwerk   verbunden   ist.   Ihn haben   wir   eigentlich   nicht   auf   unserer   Route   vorgesehen,   aber   besonders   Ingo   bekommt   nun   Interesse   an   dem   alten   Kumpel. Wenn   so   viele   nach   einem   einzigen   Nadelbaum   suchen,   scheint   es   offensichtlich   ein   interessanter   Kerl   zu   sein.   Tief   in   Ingos genetischen   Anlagen   müssen   -   da   bin   ich   sicher   -   indianische   Abstammungsmerkmale   zu   finden   sein.   Wahrscheinlich   sogar von   Winnetou   himself   höchstpersönlich.   Meine   blonde   Reisemotte   hat   die   Nonchalance   eines   Spürhundes   mit   in   die   Wiege gelegt   bekommen.   Sein   unumstrittenes   Talent,   Fährten,   Spuren   und   Himmelsrichtungen   exakt   ausfindig   zu   machen   wird ergänzt   durch   eine   enorme   Leidenschaft   für   Westernfilme.   Das   alles   kann   nicht   ausschliesslich   gottgegeben   sein.   In   jenem Fall   von   Old   Tjikko   ist   es   mal   wieder   so,   dass   er   in   Kürze   feststellt,   dass   alle   Suchenden   an   einer   falschen   Stelle   unterwegs sind.   Mit   Karte   und   Handykompass   in   der   einen   Hand   schwenkt   sein   rechter   Arm   ausladend   und   gestikulierend   über   die Prärie.   «Hier   muss   er   sein,   der   alte   Tjikko!»   Wie   ein   quirliger,   ins   Leben   verliebte   Junge,   zeigt   er   uns   allen,   wie   glückselig   es doch   macht,   sich   überall   zurechtzufinden.   Vorausgesetzt,   man   versteht   die   Geheimnisse   der   Landkarten,   wohlbemerkt.   Mit überzeugender   Stimme,   die   keinen   Platz   für   Zweifel   lässt,   wendet   er   sich   an   das   suchende   Pärchen   neben   uns:   «Ihr   seid   zwei Kilometer zu weit westlich abgebogen.» Als   wir   später   beim   Abstieg   wieder   auf   den   allgemeinen,   gut   ausgebauten   Weg   kommen,   begegnen   uns   einige   Familien   mit Kindern   -   zwei,   drei,   vier   Sprösslinge   -   es   ist   richtig   was   los!   Schweden   gilt   als   eines   der   familienfreundlichsten   Länder Europas.   Die   Kinderzahl   pro   Familie   liegt   über   dem   europäischen   Durchschnitt.   Ich   frage   ein   junges   Pärchen,   warum   die Kinder   nicht   in   der   Schule   seien   und   sie   erzählen   ausführlich   von   den   neun   Wochen   Schulferien,   die   gerade   im   ganzen   Land begonnen   haben.   «Neun   Wochen?»   erstaunt   reisse   ich   die   Augen   auf.   «Das   hört   sich   anstrengend   an!»   Die   Antwort   des Vaters   kommt   postwendend:   «Das   ist   es!»   -   er   lächelt   gequält.   Ich   wünsche   ihm   viel   Glück   bei   der   Bespassung   seiner Sprösslinge   und   sein   erregtes   Nicken   bekräftig   seine   radikale   Ehrlichkeit:   «Das   kann   ich   brauchen.»   Ich   bilde   mir   ein, Schweissperlen auf seiner Stirn zu sehen. Doch vielleicht ist es auch nur eine optische Täuschung. Der   Töfsingdalen   Nationalpark,   mit   seiner   kargen,   öden   und   unwegsamen   Felslandschaft,   ist   der   Inbegriff   einer   Wildmark.   Er ist   kaum   zugänglich   und   unser   Besuch   beschränkt   sich   auf   eine   90-minütige   Wanderung   einen   kleinen   Berg   hinauf.   Die Übernachtungsmöglichkeiten   um   den   Nationalpark   herum   sind   dafür   umso   zahlreicher.   Sie   erinnern   uns   sehr   an   Kanada,   wo man   in   den   Naturreservaten   mit   riesigem   Abstand   zum   nächsten   Fahrzeug   stehen   kann.   Wir   übernachten   -   wie   so   oft   auf dieser   Reise   -   völlig   allein   auf   einem   einfachen   Platz   im   Wald.   Die   «Rezeption»   ist   ein   kleiner   hölzerner   Verschlag,   so   gross wie    eine    Telefonzelle.    Hier    gibt    es    Umschläge,    auf    deren   Aussenseite    man    seinen    Namen    und    das    Kennzeichen    des Fahrzeugs   schreibt.   In   den   Umschlag   steckt   man   das   Bargeld,   meist   sind   es   60-100   Kronen,   was   ca.   6-10   Euro   sind.   Es   gibt ein    Plumsklo,    Feuerholz,    Sitzmöglichkeiten    und    viiiiieeeel    Platz.   Anfänglich    war    ich    sehr    zurückhaltend    gegenüber    den sogenannten    Trockentoiletten    eingestellt.    Doch    manche    von    ihnen    sind    mit    äusserster    Liebenswürdigkeit    erstellt    und erstaunlich   sauber.   Wir   finden   Duftsteine   vor,   Bilder   des   schwedischen   Königpaares,   Carl   Gustaf   und   Silvia,   sowie   Fotos   von Bären und anderen Wildtieren. Welch eine frohlockende Gemütlichkeit!
Weitere Fotos von letzter Woche
Übernachtungsplatz
Oberer Teil des Njupeskär Wasserfalls
Uddevalla Brücke
Der Hafen von Smögen
Der Hafen von Smögen
Der Hafen von Smögen
Wanderweg entlang des Meeres in einem Naturschutzgebiet. Die Kunststoffverschmutzung ist unübersehbar.