9. Juli 2013 Costa Rica, Arenal – Erwischt!

Als Gastroenteritis werden in der Regel Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes bezeichnet. Eine Magen-Darm-Grippe geht normalerweise mit Erbrechen und Durchfall einher. Hier ist Nulldiät die Therapie der Wahl. Nachdem alle akuten Krankheitszeichen abgeklungen sind, darf der Patient zur Schonkost übergehen. In Ausnahmefällen beinhaltet diese Ernährungsform auch Spezialitäten der bayerischen Küche wie Sauerbraten und Schweinshaxen.

Von der nördlich gelegenen Karibikküste planen wir unsere Weiterfahrt durch die Berge, um unsere Reise am Pazifik fortzusetzen. Die Berglandschaft, die wir durchqueren erinnert sehr an die Schweiz. 20 km vor der höchsten Stelle des Los Quetzales Nationalparks übernachten wir auf 2.650 km Höhe. Es ist ungewöhnlich kalt hier oben. Ungewöhnlich deswegen, weil die Poren unsere Körper vom Ohrläppchen bis zum kleinen Zeh auf Hitze eingestellt sind und von daher maximal geöffnet sind. Und plötzlich müssen wir Temperaturen um die 15 Grad jonglieren. Es fühlt sich frostig und ungemütlich an hier oben. Unsere Unterkunft mitten im Nationalpark der Quetzales Vögel besitzt glücklicherweise eine kleine elektrische Heizung, die seit unserer Ankunft auf Hochtouren läuft. Ich habe eiskalte Füsse und sehne mich nach einer Wärmflasche. Als wir ein paar Stunden später im Bett liegen, stelle ich fest, dass ich mit den Eisklumpen unter der Bettdecke noch nicht einmal annähernd daran denken kann, einzuduseln. Ich nehme deswegen kurzentschlossen unseren Miniwasserkocher und erhitze einen halben Liter Wasser, um meine Aluminiumflasche damit aufzufüllen. Die Flasche ist nun kochend heiss und ich stecke sie an das Fussende des Bettes. Innerhalb von wenigen Minuten hat sich unter der Bettdecke eine angenehme Wärme verbreitet und die Taubheit meiner eisigen Zehen beginnt langsam, sich in angenehmes, durch die Wärme verursachtes Kribbeln zu verwandeln.

Das Frühstück am nächsten Morgen fällt deftig aus. Neben Rührei gibt es eine Mischung aus roten Bohnen und Reis, dazu heisse Schokolade. Es passt vorzüglich zu dem eisigen Morgen. Ingo ist weniger begeistert als ich. Er bevorzugt Toast mit Marmelade oder Honig zum Frühstück, beugt sich aber aufgrund der mangelnden Auswahl seinem kulinarischen Schicksal. Bereits um 9 Uhr starten wir zur 2-stündigen Wanderung zum „Sendero de los Gigantes“. Durch den Regen sind die Wanderwege aufgeweicht und wir balancieren durch einen matschigen Märchenwald, der an eine Erzählung der Gebrüder Grimm erinnert: Verschnörkelt, verworren und vermoost. Hin und wieder gibt der Wald die grandiose Aussicht auf die unter uns liegenden Talmulden und Berghänge frei.

Petrus meint es gut mit uns am nächsten Morgen und mit strahlendem Sonnenschein beginnen wir unsere Weiterfahrt in Richtung Pazifikküste. Nach der Passhöhe schrauben wir uns Kilometer für Kilometer hinunter ins Tal. Stetig steigt die Quecksilbersäule des Thermometers an und in gewohnter wohlig, feuchtwarmen Luft kommen wir im Surferparadies Dominical an. Von dort geht es weiter zum Nationalpark Manuel Antonio. Kaum im Ort angekommen, versuchen duzende selbsternannte Parkplatzwächter uns auf „ihren“ Parkplatz zu lotsen. Wir fahren selbstbewusst und kopfschüttelnd an ihnen vorbei, denn eigentlich sind wir auf der Suche nach einer Unterkunft. Am Ende der Ortschaft finden wir ein grosses Hotel, das wenige Meter vom Parkeingang und vom Meer entfernt liegt. Das muss teuer sein! Trotzdem wage ich den Gang zur Rezeption, um mich nach den Zimmerpreisen zu erkundigen. Arturo, so stellt sich der Angestellte am Empfang vor, unterbreitet mir freudig den Zimmer-Sonder-Preis des Tages: 79 US Dollar. „Tja“, meine ich lachend zu ihm, „dann bin ich hier wohl fehl am Platze, unser Budget liegt bei maximal 40 US Dollar pro Nacht.“ Wir befinden uns in der Nebensaison und ich kann an den zahlreichen Zimmerschlüsseln im Regal hinter Arturo erkennen, dass das Hotel zu 2/3 leer steht. Ich wage deswegen einen zweiten Anlauf. „Können Sie mir einen günstigeren Preis offerieren? Wir würden auch gerne für zwei Nächte bleiben.“ Tatsächlich gelingt es mir, die magische Marke von 40 Dollar zu erreichen. Ich freue mich und habe trotzdem das Gefühl, dass Arturo sein Gesicht wahren konnte. Fast scheint es mir, dass auch er die Idee attraktiv findet, zwei europäische Langzeitmotorradreisende in seinem Hotel beherbergen zu dürfen.

Da der Eingang zum Nationalpark direkt hinter dem Hotel liegt, stellen wir den Wecker für den nächsten Morgen auf 5 Uhr, um direkt mit Parköffnung die Morgenstunden zur Tierbeobachtung zu nutzen. Der Nationalpark Manuel Antonio ist mit sieben Quadratkilometern der kleinste Nationalpark Costa Ricas. Er ist bekannt für seine vielen, nicht menschenscheuen Tiere. Neben über 350 verschiedenen Pflanzenarten gibt es dort 109 verschiedene Säugetierarten. Nahezu alle Reptilien der Costa-Rica-Pazifikküste sind dort anzutreffen. Zu unserer Enttäuschung sehen wir die ersten zwei Stunden kein einziges Tier. Entweder sind unsere Augen zu ungeübt, im grünen Dickicht die Tiere ausfindig zu machen oder sie schlafen alle noch. Erst am späten Vormittag werden wir mit etlichen Affenfamilien, Waschbären und sogar einem Krokodil für unsere Ausdauer belohnt.

Auf der Weiterfahrt zum Arenal Volcano, dem jüngsten und zugleich aktivsten Vulkan Costa Ricas,  passieren wir erneut das Landesinnere mit seiner grandiosen Berglandschaft. Der Arenal zeigte etwa 400 Jahre lang keinerlei Aktivität. Mittlerweile wächst der Vulkan jedoch jährlich um mehrere Meter, da sich Lava rund um den Krater aufhäuft. Lava fließt auch regelmäßig an den Hängen bis zur Talsohle. Seit langem passieren wir mal wieder Schotterwege, die trotz der zahlreichen Regenfälle in den vergangenen Monaten in passablem Zustand sind. Wir erreichen den Arenal See,  ein in den 70er Jahren künstlich aufgestauter Binnensee, der am Fusse des Vulkans Arenal liegt. Aufgrund seiner Grösse und der an den See grenzenden Bergketten treten hohe Windgeschwindigkeiten auf, was den See zu einem weltbekannten Surfrevier werden liess.

In der gleichnamigen Ortschaft Arenal müssen wir eine Zwangspause einlegen. Wovor wir genau sieben Monate verschont blieben, ereilt uns im touristischsten und saubersten Land Zentralamerikas: das Magen-Darm-Virus. Ingo liegt flach! Er ist käsebleich im Gesicht und jegliches Essen kann er nur kurze Zeit bei sich behalten. Ich werde ihm wohl eine neue Hose kaufen müssen, seine jetzige schlackert an seinem Hinterteil herum und die Gürtelschnalle hat bereits das letzte Loch erreicht. Und trotzdem findet sich etwas Positives an der ganzen Situation: Wir treffen auf die beiden Motorradreisenden Werner und Claudia, mit denen wir bereits in Panama Stadt einen Kaffee getrunken haben.

Ausserdem gibt es hier im Ort eine deutsche Bäckerei. Thomas,der Bäcker ist bereits seit 17 Jahren hier ansässig und seine Speisekarte präsentiert neben Schwarzbrot auch Köstlichkeiten wie Sauerbraten, Goulasch und bayerische Wurstplatte. Die Bratwürste mit Sauerkraut am gestrigen Abend waren ein Gaumenschmaus und mit den Worten „Das schmeckt wie beim Hansi“ blickte ich verliebt in die fetttriefende Bratpfanne. „Das ist die höchste Auszeichnung, die Du bekommen kannst!“ kommentiert Ingo mein Selbstgespräch und nickt dabei anerkennend in Thomas Richtung. Und morgen Früh gehe ich zum Frühschoppen! Es gibt Weisswürste mit Brezel und Hefeweizen und ich fürchte, dass ich bei dem verlockenden Angebot nicht widerstehen kann. Ich hoffe für Ingo, dass es ihm morgen besser gehen wird. Er hat bei Thomas Schwarzbrot vorbestellt und um der Bestellung gerecht zu werden wird Bäcker´s Wecker sicher gegen 3 Uhr morgens alarmierende Töne von sich geben. In gewisser Weise unterliegen wir einer Zwangsabnahme einer per Handschlag besiegelten Menge costa-ricanischen Schwarzbrotes.

 

 

Wetter:

30 Grad, Sonne und Regen

 

 

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