27. Mai 2013 Ecuador, Quito – Rutschig, rutschig

Bremsen dienen zur Verringerung der Geschwindigkeit von Fahrzeugen. Die weitaus am häufigsten verwendeten Bremsenart ist die Scheibenbremse, welche eine auf der Welle mitlaufende Bremsscheibe aufweist. An diese werden die Bremsbeläge beidseitig gepresst. Die Bremsleistung ist von der Bremskraft und der Augenblicksgeschwindigkeit abhängig. Voraussetzung für eine einwandfreie Funktion sind öl- und fettfreie Komponenten.

Wir haben mittlerweile Ecuador erreicht. Obwohl die Grenzüberquerung die bisher längste Prozedur war, sind wir angenehm überrascht von dem kleinen Land, das in seinen knapp 284.000 Quadratkilometern und 15 Millionen Einwohnern zu den kleinsten Ländern Südamerikas zählt. Die Landschaft präsentiert sich uns in einem zufriedenen, satten Grün. Feucht und fruchtbar erheben sich die Hügel in der Ferne und man kann erahnen, dass hier mehr Niederschlag zu verzeichnen ist. Genau aus diesem Grund wählen wir für die Weiterfahrt nach Quito nicht die Panamericana, die das Land wie mit einem Messer in zwei Teile schneidet, sondern zweigen in Richtung Küste ab, wo Sonnenschein und Temperaturen knapp unter 30 Grad locken.

Ecuador hat ein ausgezeichnetes Strassennetz zu verzeichnen und dieses wird von den Einheimischen gut und viel benutzt. Grosse amerikanische Pickup zieren das Strassenbild und unterstreichen damit die Andersartigkeit zum Nachbarland Peru. Bei Benzinpreisen von 2 Dollar pro Gallone (3,8 Liter) ist das Autofahren kein Luxus mehr, das lediglich Reichen vorbehalten ist. Wir passieren kilometerlange Bananenplantagen, deren riesige Blätter die noch grünen Früchte bedecken. Garküchen am Strassenrand werben um Kundschaft. Ein Blick in die Töpfe lässt uns das Wasser im Mund zusammenlaufen. Eine sämige Suppe aus Mais, Rindfleisch und Gemüse in perfekter Konsistenz zeugt von kulinarischer Tradition. Hier wird noch gekocht! Fast haben die Gerichte einen brasilianischen Einschlag. Braune Bohnen zusammen mit Stücken aus Hühnchenfleisch schwimmen im grossen Kessel am Nachbarstand und erinnern sehr an den brasilianischen Fejoada-Eintopf.

Um nach Quito, der Hauptstadt Ecuadors zu gelangen, müssen wir uns von der Küste aus Richtung Berge hinaufschrauben. Quito liegt 20 Kilometer südlich des Äquators in einem 2.850 Meter hohen Becken der Anden. Sie ist damit die höchstgelegene Hauptstadt der Welt. Von Santo Domingo de los Tsachilas quälen wir uns  mit hunderten von Lkws die Serpentinen hinauf. Glücklicherweise beginnt nach ein paar Kilometern der zweispurige Ausbau. Doch je höher wir gelangen, desto schlechter wird die Sicht und nach etlichen Kilometern sind wir in einem Nebelkessel gefangen, der unsere Geschwindigkeit drastisch drosselt. Bei Sichtweite von 3 bis 4 Metern bewegen wir uns mit Schrittgeschwindigkeit vorwärts. Alles um uns herum ist in graue Watte gehüllt und die Lichter der entgegenkommenden Fahrzeuge erscheinen wie Ufos im Landeanflug. Es ist unheimlich, doch gleichzeitig liegt etwas Mystisches in der Nebelluft. Nach etwa einer Stunde Geisterfahrt beginnt die Strasse abzufallen und mit jedem Meter lichtet sich der Nebel und überrascht uns mit einem grandiosen Andenpanorama. Das Tor zu Quito hat sich für uns geöffnet.

Die Stadt liegt direkt am Fusse des nicht aktiven Vulkans Rucu Pichincha, der sich an der Westseite der Ortschaft erhebt. Verschiedene aktive Vulkane befinden sich in nächster Umgebung. Eine spektakuläre Aussicht hat man auf den im Südosten gelegenen Vulkan Cotopaxi, der mit 5.897 Metern majestätisch in die Landschaft ragt. Fast ganz Quito befindet sich auf sandigen Böden vulkanischen Ursprungs. Erdbeben und Aschefälle haben die Gegend in Vergangenheit häufig heimgesucht. Verschiedene zerstörte Gebäude in der Altstadt wurden nach Erdbeben mindestens viermal wieder aufgebaut. Quito ist von insgesamt 14 Vulkanen umgeben. Der letzte grosse Vulkanausbruch ereignete sich im September 2002. Damals eruptierte der östlich der Anden gelegene Vulkan Reventador, der sich über 20 Jahre lang ruhig verhalten hatte. In Quito musste der Notstand ausgerufen werden, da die ganze Stadt sowie das gesamte Tal östlich von Quito knöcheltief mit feiner Asche bedeckt war.

Bevor wir uns auf Unterkunftssuche in die 1,5 Millionen Stadt begeben, entscheiden wir uns für eine längst fällige Motorradwäsche. Seit Argentinien haben die beiden Maschinen weder Wasser noch Spülschaum gesehen und entsprechend „ferkelig“ ist mittlerweile deren Anblick. Der Handwaschservice in einem Vorort von Quito kommt uns wie gerufen und wir müssen nur kurz auf unseren Waschmeister warten. Ingo gibt ihm eine Schnelleinweisung in die Problemsteller der beiden BMWs. Kettenöl hat sich an einigen Stellen der Felgen und Alukoffer festgesetzt und jedes Mal wenn Ingo den 1000-Kilometer-Check beendet hat, ähnelte sein anschliessendes Erscheinungsbild sehr dem eines Schornsteinfegers. Unser Waschmeister nickt wissentlich bei den Anweisungen. Er scheint sein Handwerk zu verstehen.

Während der Waschzeremonie kommen verschiedene fettlösende und fleckenbeseitigende Mittel zum Einsatz und nach 45 Minuten stehen die Maschinen in strahlender Sauberkeit vor uns. Der Wäscheservice hatte es wirklich in sich und unser Waschmeister hat an alles gedacht. Sogar die Felgen hat er grosszügig mit einer kettenölbefreienden Substanz eingesprüht. Doch offensichtlich war diese fetthaltig, denn als wir aus dem Hof der Waschanlage herausfahren, stellen wir mit Entsetzen fest, dass die Bremsen nur unter grosser Kraftanstrengung arbeiten. Die Hinterradbremse funktioniert überhaupt nicht mehr. Es ist, als würde man ins Leere treten. Und vorne, ja da sind vielleicht noch 30 % der ursprünglichen Bremskraft übrig. Was hat er da nur für ein Zaubermittel benutzt? Nicht nur, dass wir nun äusserst vorsichtig und vorausschauend den Verkehr beobachten müssen, um nicht plötzlichen Bremsmanövern ausgesetzt zu werden. Vielmehr ist die Fahrt auf Quitos Strassen ein stetiges Auf und Ab. Die Innenstadt ist von Hügeln umgeben und stellt uns vor unvorhersehbare Schwierigkeiten. Anfahren am Berg ohne Hinterradbremse! Wie die Fahranfänger füsseln wir vorwärts und sind froh, als die Maschinen endlich sicher in der Hotelgarage stehen. Gleich nach der Gepäckentladung kaufen wir 4 Rollen Zewapapier und beginnen in penibler Fleissarbeit, die Bremsscheiben vom Fett zu befreien. Mit der Menge, die wir in die Tücher schmieren, könnten wir einen ganzen Schweinebraten zubereiten! Für mein Rennrad hatte ich früher immer Margarine benutzt, um Flecken von Kettenschmiere auf Rahmen und Felgen in Griff zu bekommen. Vielleicht sollten wir bei der nächsten fälligen Waschaktion lieber ein Doppelpack Rama oder Lätta kaufen. Nachdenklich reisse ich ein langes Stück von der Papierrolle ab und reiche es Ingo, der mit zusammengekniffenen Augenbrauen die Bremsklötze begutachtet. „So eine Pappnase!“ schimpft er zähneknirschend vor sich hin und ich entscheide mich im Stillen, den Margarinevorschlag erst einmal für mich zu behalten.

 

Wetter:

20 Grad, Sonne und Regen

 

 

 

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