11.02.2013, Argentinien, Buenos Aires – Die endlose Ruta 3

Die argentinische Ruta Nacional 3 ist eine der bedeutendsten Fernstrassen des Landes, obwohl sie nicht zum Panamericana Netzwerk gehört. Die Strasse beginnt in Buenos Aires und führt von dort aus über 3.079 Kilometer in südlicher Richtung durch ganz Ost-Patagonien bis nach Ushuaia, der südlichsten Stadt des Landes.

Und wieder hat sie uns. Die Ruta 3 nach Norden. Seit Tagen beschert uns das Motorradfahren das gleiche Bild. Endlose Weite, Einöde, spärliche Vegetation. Und dennoch hat diese Strecke ihre Reize. Der Himmel ist klar und die schnurgerade Strasse flimmert in der Ferne jenseits des Horizonts wie eine Fatamorgana in der Wüste. Für uns Frauen entwickelt sich ein Problem der besonderen Art: Wo pinkelt man bzw. Frau, in einer Einöde, die weder Baum noch Strauch zum Verstecken bietet? Die in regelmässigen Abständen entgegenkommenden Fahrzeuge machen es mir nicht leicht und so muss jeder kniehohe Busch und jede noch so niedrige Sanddüne als Schutz für notdürftige Angelegenheiten herhalten.

Bei Bahia Blanca zweigen wir von der Ruta 3 ins Hinterland ab und genehmigen uns eine kleine Auszeit vom Motorradfahren. Wir nähern uns der Gebirgskette der Sierra de la Ventana. Das Grasland erhebt sich in sanft gewellten Hügeln, als ob eine grosse Schlange darunter begraben wäre. Im Parque Provincial Ernesto Tornquist zelten wir direkt am Einstieg zu den Wanderrouten, um am nächsten Morgen die Aufstiege zu den Piletones Naturales und der Garganta Olvidada zu starten. Der Duft von Laub mischt sich mit dem der Sträucher und Blumen, die aus den Rissen der schroffen Felsen wachsen.

Die Piletones Naturales – die natürlichen Wasserbecken – liegen am Ende der zweistündigen Wanderung. Noch bedeckt der Schatten der umgebenden Berge die Wasseroberfläche, doch nach und nach kommt die Sonne zum Vorschein und lädt auf ein erfrischendes Bad ein. Im Anschluss kraxeln wir noch hinauf zum Garganta Olvidada (Der vergessene Schlund), was uns noch einiges an Energiereserven kostet. Obwohl diese Tour als „leicht“ verzeichnet ist, müssen wir über riesige Felsen klettern und rutschige Berghänge erklimmen. Und das bei 35 Grad im Schatten! Ich bin froh, als wir zurück am Zelt sind und die Siesta baumelnd in den Hängematten verbringen können.

Die Temperaturen überschreiten mittlerweile regelmässig die 30 Grad Marke und somit starten wir die Tage zeitig. Als wir um 7 Uhr am nächsten Morgen auf den Motorrädern sitzen, zeigt sich gerade die Sonne hinter der Hügelkette. Die Luft riecht frisch und schenkt uns angenehme Kühle. Gegen 11 Uhr beginnt die Hitze und selbst der Fahrtwind bringt nur noch wenig Abkühlung. Wir befestigen 3 Liter Wasser auf Ingos Alukisten und bei den regelmässigen Trinkpausen verändert sich in ebensolcher Regelmässigkeit die Temperatur des Trinkwassers. Gegen Mittag meint Ingo, man könne nun durchaus auch einen Teebeutel in die Wasserflasche hängen, so heiss sei es geworden. Oder: „Wie Badewasser, nur nicht so schaumig!“

Wir nähern uns Buenos Aires und je weiter wir uns Richtung Norden bewegen, desto dichter wird der Verkehr. Für die Anreise ins Zentrum von Buenos Aires haben wir den Sonntag gewählt. Zumindest entfällt am heutigen Tage der Berufsverkehr und somit kommen stau- und stressfrei an unserer Unterkunft in der Avenida Cordoba an. Am Abend bummeln wir durch das Ausgehviertel an der Avenida Corrientes. Es liegt eine unglaubliche Schwüle in der Luft und es bleibt uns nichts anderes übrig, als den Schweiss einfach laufen zu lassen. Der Himmel wird von dichten Wolken bedeckt, die am fortgeschrittenen Abend immer dunkler und bedrohlicher werden.

Wie auf Knopfdruck öffnen sich um 20 Uhr die Schleusen und wir schaffen es gerade rechtzeitig in eine Cafèbar um nicht bis auf die Haut nass zu regnen. Es kracht und rumpelt am Himmel und innerhalb von wenigen Minuten stehen die Strassen unter Wasser und der Verkehr steht still. Die Cafebesitzerin weist zwei Angestellte an, den Eingangsbereich vor dem herannahenden Wasser zu schützen, das schätzungsweise auf 30 bis 40 cm angestiegen ist. Mit Putzlappen und Gummiwischer sind sie nun eifrig dabei, eindringende Regenpfützen wieder nach draussen zu schieben. Die Kanalisation scheint von dem plötzlichen Wassermassen völlig überlastet zu sein. Was uns total erstaunt ist diese Ruhe, die unter den Leuten herrscht. Keiner bricht in Panik aus und auch die Barchefin hat offensichtlich kein Problem mit dem Gedanken, dass sich ihr kleines Cafè in Kürze in ein Aquarium verwandeln wird. Doch nach lediglich einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Der Regen tröpfelt nur noch vom Himmel, der Wasserspiegel auf den Strassen senkt sich und wir können uns trauen, den Heimweg zur Unterkunft anzutreten.

 

Wetter:

Sonne, 35 Grad

 

 

 

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