24.12.2012 Argentinien, Lago Falkner bis San Carlos de Bariloche:
Festgeregnet am Lago Falkner – Happy End mit Puter Don Hugo

Puter oder auch Truthühner wurden bereits von den Azteken im heutigen Mexiko gehalten und waren sehr bedeutsam, da in der Neuen Welt vor dem Kontakt mit den Europäern nur wenige Tierarten existierten, die sich für die Fleischtierhaltung eigneten. Truthühner kamen dann möglicherweise schon 1497 mit Christoph Columbus nach Europa.

Wir verbringen zwei Tage am Lago Falkner, 50 Kilometer südlich von besagter heisser Schokolade. Der gleichnamige Campingplatz liegt idyllisch am Ufer des Sees und mit lediglich einem weiteren Zelt kann man den Platz wahrlich nicht als überfüllt bezeichnen. Die Sonne gibt ihr bestes und wir geniessen die warmen Strahlen, nachdem wir von den letzten kalten Tagen noch traumatisiert sind.

Die Diskussion, die wir am nächsten Morgen führen, gewinnt Ingo und so verlängern wir um einen weiteren Tag. Ich hätte mich durchsetzen können, doch das wollte ich Ingo nicht antun. Seine Augen glänzen, als sein verträumter Blick in die Ferne in Richtung der verschneiten Berggipfel gleitet. Zwischen zwei Bäumen direkt am Wasser hat er eine Hängematte gespannt, aus der nun seine Beine im Takt der Wellen baumeln. Also gebe ich mich geschlagen, obwohl mir mein Bauchgefühl sagt, wir hätten heute weiterfahren sollen.

Nun, sagenochmal irgendwer etwas über weibliche Intuition. Genau um 16 Uhr am Nachmittag beginnt heftiger Regen und es regnet weiter am Abend, in der Nacht und am nächsten Morgen. An ein genüssliches Frühstück ist deswegen gar nicht zu denken. Wir stürzen Kaffee und Porridge in Rekordzeit herunter und packen in einer 20-minütigen Regenpause sämtliche Sachen und Zelt  zusammen. Eingemummt in Regenkleidung sitzen wir auf den Mopeds, als sich die Schleusen am Himmel erneut für uns öffnen.

Die Strecke entlang der 7 Seen können wir so gar nicht geniessen. Dicke, dunkle Wolken verweigern uns die Sicht auf die Schönheit der Landschaft. Es ist kalt, aber zum Glück nicht windig. Doch Petrus und Regen finden weder Ende noch Erbarmen mit uns. Selbst die beste Regenbekleidung gibt sich irgendwann geschlagen und so erreichen wir nach 4 Stunden ausgekühlt und aufgeweicht unsere Unterkunft, die zwischen San Carlos de Bariloche und Llao Llao liegt.

Die drei Fragen nach vorhandenen Einrichtungen beim Einchecken im Alojamiento stelle ich in der folgenden Reihenfolge: 1. Gibt es einen Backofen der auch funktioniert? 2. Ist das Wasser in der Dusche heiss? 3. Wie sieht es aus mit einer Heizung? Immerhin ist morgen Weihnachten und nach jahrelanger Tradition gibt es bei uns Puter. In aufwändiger Befragungsaktion konnten wir unter Einbeziehung sämtlicher Mütter und Geschwister einen Namen ausfindig machen: Don Hugo. Noch gibt es bei dem Federvieh allerdings ein Problem: Er existiert noch gar nicht! Die verdiente Pause lässt deswegen noch auf sich warten. Im nahe gelegenen Supermarkt „Todo“ stehe ich hinter dem Tresen zur Metzgerei und warte geduldig bis meine gezogene Nummer an der Reihe ist. Auf meine Frage nach einem Puter, schüttelt der Fleischermeister bedauerlich mit dem Kopf. Er könne mir Huhn, Lamm, Fasan, Rind und Schwein anbieten, in sämtlichen Variationen, aber Truthahn hätte er leider nicht. Auf meine Rückfrage, ob er eine Empfehlung hätte, wo ich fündig werden könnte, zögert er nicht lange. Er ruft den Manager des Ladens zu sich und erklärt ihm mein Problem. Dieser wendet den Kopf zu mir und seine braunen Augen lächeln mich freundlich an. „Folgen Sie mir!“ fordert er mich auf. Er führt mich zu seinem Schreibtisch, wo er mit ein paar Mausklicks am Computer verschiedene Adressen von Zweigstellen in der Umgebung heraussucht. Zwei Telefonate später kann er mir sein Ergebnis präsentiert. „8 km von hier ist noch ein Todo, dort sollte ein Truthahn für Sie bereit liegen!“ Na, wenn das kein Kundenservice ist. Ich bedanke mich überschwänglich, indem ich ihm und seiner Frau sowie seinen Kindern, Enkelkindern und Grosseltern mit dazugehörigen Onkeln und Tanten allesamt ein grossartiges Weihnachtsfest wünsche.

 

Nun bruzzelt Don Hugo tatsächlich im Ofen vor sich hin. 4,7 Kilogramm wiegt er im nackigen Rohzustandund es wird sicher ein paar Stunden dauern, bis er gar ist. Das kleine Einzimmer-Alojamiento ist von dichtem Rauch geschwängert und der Duft gerösteten Fleisches verteilt sich bis in die hinterste Ecke. Wir haben gestern die Gelegenheit des Wäschewaschens beim Schopfe gepackt und einen Grosswaschtag eingelegt. So eine feste Unterkunft, wenn auch nur für kurze Zeit, muss gut genutzt werden. Zwischen Esstisch und angrenzendem Bett spannt  für den Trockenvorgang eine Leine, die nun sämtliche Unterhosen, Socken und T-Shirts der vergangenen Tage schmückt. Ich frage mich nur, ob sich in der nächsten Zeit die Leute im Vorbeigehen nach uns umdrehen und hinter vorgehaltener Hand murmeln werden: „Irgendwie riecht es hier nach gegrilltem Truthahn….“

 

Wetter:

Regen 12 Grad

 

 

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